Welche Auswirkungen hat der Brexit für Spanien?

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Sie haben es tatsächlich getan. Die Bürger des Vereinigten Königreiches haben mehrheitlich gegen den Verbleib in der Europäischen Union gestimmt. Die meisten Ökonomen und Politikwissenschaftler sind sich darin einig, das die Nachteile dieser Entscheidung überwiegen. Die Unsicherheit wächst, Handelshemmnisse werden errichtet werden, und vor allem der Finanzplatz London wird seine Vormachstellung verlieren. Welche Folgen werden wir in Spanien erwarten müssen?

Tourismus
Der wichtigste Wirtschaftszweig Spaniens und einer der wenigen Wirtschaftszweige, die einen Bilanzüberschuss erwirtschaften. Insgesamt geht 1,3 % des BIP, oder 14,5 Milliarden auf den englischen Turismus zurück. Viele Urlauber werden die Entscheidung ihrer Landsleute in der Wechselstube zu spüren bekommen und konkret heisst das: Der Urlaub in Spanien wird teurer und viele werden ihre Ausgaben reduzieren. Für einige Urlaubsorte mit hoher Konzentration von englischen Urlaubern oder Expats wie Málaga oder Mallorca wird das ein Rückgang der Einkommen nach sich ziehen. Die Auswirkungen auf den Tursismus insgesamt werden sich jedoch in Grenzen halten. Die Marke Spanien hat nicht an Attraktivität verloren. Es gab immer wieder Schwankungen aus Geberländern wie Russland, die immer wieder durch Zuwächse aus anderen Regionen ausgeglichen wurden. Experten erwarten zum Beispiel ein hohes Potential aus asiatischen Länder, vor allem aus China.

Handelsbilanz
7% der spanischen Ausfuhren gehen nach England und Spanien hat ein Handelsbilanzüberschuss  von 0,5% (5,2 Milliarden Euro). Der wahrscheinliche Wechselkursverfall wird auf englischer Seite eine Importsubstitution in Gang zugunsten einheimischer Produkte in Gang setzen. Auf der anderen Seite könnten Importe aus England aufgrund des günstigen Wechselkurses zunehmen. Diese Effekte setzen grundsätzlich voraus, dass keine zusätzlichen Handelshemmnisse eingeführt werden, was jedoch wenig wahrscheinlich ist. Experten rechnen insgesamt mit einem Rückgang des Handesvolumens zu Lasten beider Volkswirtschaften. Für das spanische BIP rechnet man im ungünstigsten Fall mit einer Reduzierung von 0,25%.

Britische Direktinvestitionen in Spanien
Die Direktinvestionen aus dem Vereinigten Königreiche belaufen sich auf ca. 1.3 Millarden Euro jährlich. Kurzfristig rechnet man hier mit keinen drastischen Veränderungen, da die Entscheidungsprozesse auf langer Sicht geplant sind, und vorläufig nicht durch den Brexit tangiert werden. Auch ein eventueller Rückgang von 10% wären lediglich 0,01% des spanischen BIP.

Immobilien
Ungefähr ein Fünftel aller ausländischen Immobilienkäufe in Spanien wurden von britischen Bürgern getätigt. Die Immobilienmakler schlagen die Hände über den Kopf zusammen und werden deutliche Einbussen zu spüren bekommen. Dennoch: Ein hypothetischer Rückgang der britischen Nachfrage um 10% ist lediglich 0,3% des spanischen BIP. Der Immobilienmarkt insgesamt wird es verkraften und die Esperten erwarten keine Zusammenbrüche. Sicher gibt es geografische Zonen mit hoher Konzentration, aber auch hier gibt es Nachfrage von Käufern anderer Herkunftsländer, die den Schwund ersetzen können.

Fazit:
Die Auswirkungen werden kurzfristig auf bestimmte Sektoren und geografische Zonen beschränkt bleiben. Mittel und langfristig werden wir in Spanien die indirekten Folgen des Brexit zu spüren bekommen. Die politische Unsicherheit treibt die Risikoprämien der spanischen Bonds in die Höhe. Dieser ist an einem Tag bereits um 31 Basispunkte auf 168 gestiegen. Für den spanischen Staat, der bereits einen Verschuldungsgrad von knapp 100% erreicht hat, wird es somit schwieriger seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der spanische Aktienindex ist um 12% gefallen und hatte gestern seinen dramatischsten Handelstag der Geschichte.

Tatsache ist: Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind einfach nicht absehbar. Die Lehmann Pleite und die griechische Schuldenkrise hatte ungeahnte Verwerfungen in der globalen Wirtschaft nach sich gezogen mit verheerenden Folgen für die gesamte Weltwirtschaft. Andererseits hat die Europäische Union eine lange Krisenerfahrung und es wird auf das Augenmass unserer Politikelite ankommen.

Heinz-Rüdiger Scharrenberger

 

 

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