Der hübsche Turm und seine tragische Geschichte – Torre d’aigües de la Catalana de Gas

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Etwas versteckt, neben einem modernen glasbeschlagenem Gebäude, unweit der Ronda Litoral und dem Strand von Barceloneta ragt ein seltsam proportionierter Turm 45 Meter in die Höhe. Die unteren zwei Drittel sind etwas verspielt mit versetzten Fenstern, das obere Drittel ist wuchtig mit weissen und blauen Trenquadis-Keramiken besetzt. Die Keramiken deuten auf modernistische Herkunft, während die Spitzbögen an gotische Einflüsse erinnern. Die unteren Fenster haben die Form von Schlüssellöchern und sind  … einfach originell und nicht so recht einzuordnen. Am Sockel befinden sich Schmetterlingsflügelmuster, die man oft in der modernistischen Architektur findet.

Torre de les Aigues Barcelona

Links: Sockel mit Eingang und Schmetterlingsflügelmuster. Rechts Kammer für den Wasserbehälter mit Trenquadis-Keramiken.

Das Wasser aus der Höhe sollte den nötigen Druck zur Leuchtgasherstellung aus Steinkohle generieren. Auf dem Terrain des angrenzenden Parks befand sich damals die Fabrik der „Sociedad Catalana para el Alumbrado por Gas“. Typisch Barcelona, typisch Belle Epoque: Reichhaltige Dekorelemente dürfen auch an einem Industriegebäude im Arbeiterviertel Barceloneta nicht fehlen. Die Manager der Anlage beauftragten daher den Architekten Josep Domènech i Estapa für den Bau, der 1907 eingeweiht wurde.

Die heitere Architektur verbirgt jedoch eine düstere Geschichte. Domenéch hatte einen befreundeten Professor der technischen Hochschule mit dem Einbau der Pumpen  beauftragt. Dieser wiederum übertrug das Projekt einem vielversprechenden Studenten mit Namen Pau. Wichtige Teile trafen jedoch erst kurz vor der feierlichen Eröffnung aus England ein und so blieb keine Zeit mehr für einen Testlauf. Es kam wie es kommen musste. Die versammelte Menschenmenge wartete und wartete – nichts geschah. Die Pumpen blieben still. Verzweifelt suchte Pau nach dem Fehler. Vergeblich. Mehrere Tage und Nächte ging er alle Pläne durch, schraubte an der Anlage herum, hämmerte an Einzelteilen und musste den Spott der Bürger, die Wut der Manager und die Vorwürfe des Architekten Josep Domènech i Estapa ertragen.

Pau hielt es nicht mehr aus und stürzte sich wenige Tage nach der misslungenen Einweihung vor entsetzten Passanten vom Turm. Er war sofort tot. Einige Tage später fanden Techniker den Fehler. Die Ingenieursleistung von Pau und der Einbau waren perfekt aber die Ventile aus England wurden mit verkehrter Schaltung geliefert. Ein paar Justierungen, eine Drehung an einer Kurbel – die Pumpe ratterte los und generierte den berechneten Druck.

Barcelonatipps: Einige Barcelonier versichern: Nachts wenn es still ist, hört man Gehämmer aus dem Innenraum.

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