Picasso in Barcelona – Dort wo alles begann …

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…und wo ich lernte wie weit ich gehe. (Pablo Picasso)

Am 21. September 1895 legt das Frachtschiff Cabo Roca aus Malaga am Hafen von Barcelona an. Der 13 – jährige Pablo Ruiz Picasso betritt den Boden von Barcelona, und damit beginnen 9 prägende Jahre eines der grössten Genies des 20. Jahrhunderts. „Barcelona war für mich die Grundschule, Paris das Abitur“ sagt er viel Jahre später in einem Interview. Hier studiert er Kunst in der Hochschule erhält Inspirationen aus langen Diskussionen mit seinen Bohemefreunden und aus dem Rotlichtviertel der Calle Avignon und findet Freunde, die ihn bis zu seinem Lebensende im Pariser Exil begleiten werden.

Kunstakademie Llotja – Tradition und Rebellion

Kunstakademie Lotja Barcelona Barcelonatipps

Kunstakademie Lotja in Barcelona – Paseo de Isabel II, 1

Er schreibt sich an der Kunstakademie Llotja ein und hier bilden sich lebenslange Freundschaften, wie mit Manuel Pallarés, der ihm immer bis zu seinem Tod zur Seite stehen wird. In der Llotja absolviert er das künstlerische „Pflichtprogramm“ und da beweist der erst 15 jährige, das er den akademischen Stil bis zur Vollendung beherrscht. Das Bild „Erstkommunion“ (Bildergalerie unten) von 1896 zeigt seine Schwester Lola kniend vor einem Altar in einem blütend weissen Kommunionskleid und wurde in einer Ausstellung für Kunstgewerbe ausgestellt.

Das Bild entspricht genau den Konventionen mit religiösen Inhalten und Aufbau, die Picasso später verwerfen wird. Ein anderes Bild aus dieser Zeit zeigt ein anrührendes Porträt seiner Tante Pepa (Bildergalerie unten) aus Malaga. Hier beweist er seine Begabung mit virtuoser Farb- und Lichtgestaltung ein profundes psychologisches Profil zu schaffen. In seiner Freizeit malt er fast zwanghaft alles was er sieht und aus dieser Zeit stammen einige Werke, die sich mit der Zeit zu visuellen Zeugnissen einer Stadt enwickelten, die so nicht mehr existiert, wie zum Beispiel der Strand von Barceloneta (Bildergalerie unten).

Sein Vater ist begeistert und sieht eine grosse Zukunft. Er matrikuliert seinen Sohn in der renommiertesten Kunstakademie des Landes, der Escuela de Bellas Artes in Madrid. Was zunächst die grosse Chances verheisst wurde für den jungen Picasso jedoch zum Horrortrip. Die eherne Disziplin und die künstlerischen Konventionen wecken in dem Inkonfomisten einen ausgeprägten Widerwillen, wie er in einem erhaltenen Brief an seinen Freund Joaquim Bas in Barcelona deutlich beschreibt. Er schwänzt immer wieder den Unterricht und geht viel lieber in den Prado um die Werke von Velázquez, El Greco, Rembrandt und anderen ausgiebig zu studieren. Wegen einer Scharlacherkrankung bricht er das Studium ab und verbringt mehrere Monate mit seinem Freund Manuel Pallarés in einem Dorf in der Nähe von Tarragona.

Folgen Sie den Spuren von Picassos Barcelona – Interaktive Karte

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Picassos Lehr und Jugendjahre – Die Bar „Els 4 Gats“ und das Geheimnis der Calle Aviñon

Die kurze Zeitspanne von knapp einem Jahr in Madrid und dem Dorf Horta de Sant Joan eröffneten neue Visionen und Ideen fernab der konventionellen etablierten Kunst. Als gereifter junger Mann sucht er die Gesellschaft der Avantgardekünstler, die sich regelmässig im Bierlokal Els Quatre Gats im gotischen Viertel treffen.

Gemälde von Ramon Casas. Das Original befindet sich im Museo Nacional de Arte de Cataluña

Das 4 Gats ist eine Barcelona – Variante des mythischen Chat Noir in Paris, dem Zentrum der modernistischen Boheme. Es ist ein echter Barcelonaklassiker,  erbaut in 1896 vom modernistischen Architekten Josep Puig i Cadafalch im neogotischen Sti mit den typischen farbigen Glasfenstern und Schmiedeisengittern. Die Bar musste bereits 1903 schliessen und wurde erst 1970 wieder eröffnet. Woody Allen wählte sie für eine Szene des Films Vicky Cristina Barcelona mit Scarlett Johanssen aus. Heute gehört sie zu den beliebtesten Anlaufpunkten nicht nur für Touristen, sondern auch für lokale Kenner.

Das Lokal war in der kurzen Zeitspanne von 1895 bis 1903 die Eingangspforte der modernistischen Bewegungen die die neue Generation der katalanischen Künstler und Schriftsteller wie Ramon Casas und Santiago Rusiñol begeisterte. Picasso diskutierte hier viele Abende mit Gleichgesinnten und stellt hier im Februar 1900 zum ersten mal eigene Porträtzeichnungen aus (Bildergalerie unten). Die grosse Anerkennung blieb noch aus doch einige Kunstkritiker ahnen schon, das hier etwas besonderes geschieht. Die Zeitung „La Vanguardia“ stellt ihn bereits auf eine Reihe mit etablierten Künstlern.

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„Demoiselles de Avignon“ inspiriert von einem Bordell mit Namen Ca la Mercé in der Carrer d´Avinyó im gotischen Viertel

Die Carrer d´Avinyó, benannt nach der französischen Stadt, enthält nicht mehr und nicht weniger als die Inspiration zu einem der bahnbrechendsten Werke der Kunstgeschichte den „Demoiselles d’Avignon“. Der Name stiftet immer wieder für Verwirrung, denn das Gemälde hat eben nichts mit der Stadt zu tun. Die Inspiration stammt vielmehr von einem Bordell in der Hausnummer 44 dieser Strasse und hiess damals Ca la Mercé. Damals befanden sich mehrere Bordelle in dieser Strasse doch neueste Forschungen identifizieren einige Elemente dieses Gebäudes in einigen Skizzen zu diesem Gemälde.

Das Gemälde wird oft mit den Werken Giottos verglichen. Während dieser im dreizehnten Jahrhundert mit der byzantischen Tradition brach und die Rennaissance einläutete, stehen die  „Demoiselles d’Avignon“ für den Big Bang der zeitgenössischen Kunst und die Initialzündung für den Kubismus. Dabei hat Picasso das Gemälde erst im Jahre 1907 geschaffen, also erst drei Jahre nach seiner endgültigen Übersiedlung nach Paris. Grundlage waren seine Erinnerungen und eine Vielzahl von Skizzen, die er in seinen zahlreichen Besuchen anfertigte und die nun als Nachweis für die genaue Herkunft dienen. Das Gemälde ist leider nicht im Picassomuseum in Barcelona zu sehen, sondern besetzt nun einen privilegierten Platz im MoMA in New York.

Galerie ausgewählter Bilder – Das sehen sie im Picassomuseum

  • Joan Vidal Ventosa 1899. Ausgestellt in der Bar "Els 4 Gats"

Die virtuelle Rückkehr – Das Picassomuseum

Picassomuseum

Picassomuseum in Barcelona

Picasso als Kommunist und Schöpfer des Antikriegswerks Guernica war unter der Francodiktatur nicht wohlgelitten und lebte im Exil in Frankreich, wohlwissend das er wohl nie wieder in seine Heimat zurückkehren wird, solange Franco lebt. Sein Jugendfreund aus der Studienzeit der katalanische Poet Jaime Sabartés verwaltete einige Werke des Meisters in Barcelona und schlug zunächst vor sie in der Geburtsstadt Picassos in Malaga auszustellen. Dort winkte man jedoch bereits einige Jahre zuvor ab. Man wollte nichts von einem aufrührerischen Kommunisten und Autor des berühmtesten Antikriegsbildes „Guernica“ wissen.

Die erste Ausstellung im Jahre 1960 war ein voller Erfolg. Die Menschen standen mehrere Häuserblocks Schlange und einige Kunstbegeisterte stellten sich sogar nach einer Besichtigung erneut an, um ein zweites Mal in das Gebäude in der Montcada Strasse zu gelangen. Picasso sah gerührt die Fotos der langen Schlangen und war gerührt. „Ich bin wieder da, obwohl ich nicht zurückkehren kann“, wird er zitiert. Somit war das Projekt Picassomuseum geboren. Bis zur Einweihung des Museums im Jahre 1963 folgte ein politischer Eiertanz mit den Verantwortlichen des Francoregimes. Obwohl ausschliesslich Werke des weltberühmten Meisters ausgestellt wurden, durfte der Name nicht im Schriftzug genannt werden und man nannte das Museum „Colección Sabatérs“.

Heute ist das Museum, mit mehr als 4000 Werken vor allem aus der Jugend – und Lehrzeit Picassos, eines der Topadressen für jeden Kunstliebhaber aus der ganzen Welt. Die meisten Werke sind chronologisch geordnet, so dass der Betrachter die künstlerische Entwicklung und besonders eben jenen Bruch mit der Tradition beobachten kann. Die Ausstellung befindet sich in mehreren nebeneinander gebauten Palästen, aus gotischer Zeit, die vom damaligen Bürgertum bewohnt wurden. Picasso hat sich ein Modell anfertigen lassen und selbst die Ausstellung von seinem französichen Exil gestaltet. Er selbst konnte das Museum leider nicht mehr besuchen. Er starb zwei Jahre vor Franco im Jahre 1973.

Barcelonatipps: Jeden ersten Sonntag und jeden Sonntag ab 15:00 Uhr ist der Eintritt kostenlos.

Video – Ausstellung Porträts

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