1000 Jahre spanische Hochkultur im MNAC Montjuïc

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Blankes Entsetzen erfasste die Katalanen in den 20-er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Zwei Kunsthändler aus Amerika und Frankreich entnahmen kostbare Fresken aus mittelalterlichen Kirchen in den Pyrenäen und verkauften sie nach Amerika. Es drohte  der kulturelle Ausverkauf. Schnell wurden weitere Fresken unter Denkmalschutz gestellt und nach Barcelona geschafft, übrigens mit Hilfe der besagten Kunsthändler. Das nötige Know How hatten sie ja und so lösten Experten die Fresken von den Wänden der mittelalterlichen Kirchen und brachten sie in den Palau Nacional nach Barcelona.

Das war der Startschuss zu einem der bedeutendsten Museen Europas. Mehr als 200 000 Bilder, Skulpturen, Fresken vom Hochmittelalter bis Miró präsentieren sich heute bestens aufgestellt und beleuchtet in einem neoklassizistischen Bau auf dem Hausberg Montjuïc hoch über der Stadt. 1000 Jahre Geschichte, vom Königreich von Aragon, über Barock, katalanischer Renaixença bis zu moderner abstrakter Kunst umfasst die Kollektion des Museu Nacional de Art de Catalunya (MNAC).

Der Aufstieg des Königreiches Aragon – Romanische Kunst des 11. bis 13. Jahrhundert

Die islamischen Eroberer schafften es nicht bis in die unwegsamen Pyrenäen und so entstanden zwischen den Supermächten der Mauren und Franken kleine Grafschaften, die heute als Keimzellen Kataloniens gelten. Die Hochzeit des Grafen von Barcelona mit der Königin von Aragon legte den Grundstein für die Schaffung einer Mittelmeermacht, des Königreichs Aragon. Mit der Expansion wuchs der Wohlstand und die Grafen demonstrierten mit prächtigen Fresken, Skulpturen und Altarbildern ihre Gottesfurcht und übermittelten ihren Untergebenen die mittelalterliche Gesellschaftsordnung.

Der Star der Ausstellung ist der Pantocrátor de San Clemente de Tahull, ein Fresco aus dem Jahre 1123. Es zeigt Jesus nicht als Leidenden, sondern als Allmächtigen der mit erhobener rechter Hand die Welt segnet. In der linken Hand hält er ein Buch mit der Aufschrift EGO SUM LUX MUNDi (Ich bin das Licht der Welt). Deutlich sichtbar aufgrund der strengen Symmetrie und der Linienführung sind byzantinische und arabische Einflüsse. Für die Farbgebung verwendete der unbekannte, höchstwahrscheinlich italienische Künstler vor allem lokale Substanzen aber auch Zinnober und Azurita aus Italien. Es zeigt sich somit, das der internationale Handel und Kulturaustausch bereits im zwölften Jahrhundert bis in entlegene Regionen der katalanischen Pyrenäen vorgedrungen ist.

Pantokrator MNAC

Pantokrator. Fresco aus dem Jahre 1123. Seit 1923 im MNAC.

Die Eroberung des Mittelmeers – Gothik 13. bis 15. Jahrhundert

Im Spätmittelalter beginnt die glorreiche Zeit des Königreichs Aragon mit den Zentren Barcelona und Valencia. Diese beiden Städte konkurrieren direkt mit Venedig und Genua um die Vorherrschaft im Mittelmeer und in diese Zeit fällt die Eroberung der Balearen und die Einverleibung Süditaliens. Die Machtverhältnisse im Inneren des Reches änderten sich langsam. Die städtischen Bürger, weltgewandt und wohlhabend, waren die Träger des Kulturlebens und verlangten nach mehr Realismus. Religiöse Motive beherrschen zwar nach wie vor die Kunst aber der individuelle Mensch selbst rückt immer mehr in den Vordergrund. Aus diesem Grund kennen wir nun auch die Namen und teilweise auch die Lebensläufe der Künstler, die bislang immer nur anonym geblieben sind.

Die Eroberung der von muslimischen Sarrazenen besetzten Balearen im Jahre 1231 durch Jaume I war ein entscheidender Meilenstein in der Geschichte der Reconquista. Die Ereignisse hat ein unbekannter Maler etwa 50 Jahre später ein einem grandiosen Schlachtgemälde erzählt. Das Wandgemälde hatten Bauarbeiter 1961 in einem mittelalterlichen Palastes im Zentrum Barcelonas entdeckt. Der Palast wurde für die Einrichtung des Picassomuseums umgebaut.

Eruberung Mallorca Jaume I

Die Eroberung Mallorcas durch Jaume I im Jahre 1231

Ein Fest für Historiker denn das Bild erzählt die ganze Geschichte mit allen Hauptdarstellern. Die Generalstände versammeln sich 1228, und beschliessen den Feldzug. Die christlichen Ritter nehmen die Stadt Madina Mayurqa (Palma de Mallorca) nach einer dreimonatigen Belagerung. Jaume I empfängt seine Getreuen und den Bischof von Barcelona. Mallorca gehört nun zur Krone von Aragon und stieg zur Supermacht im Mittelmeer auf.

Die neue Bildersprache kommt aus Italien und ersetzt vor allem nach dem Fall Konstantinopels die strenge byzantinische Linienführung. Die katalanischen Künstler, vor allem beeinflusst von Giotto aus Italien,  entwickeln Techniken zur perspektivischen und bewegten Darstellung.

Das spektakuläre Altarbild des valencianischen Malers Gonçal Peris Sarrià von 1425 bezeugt die enormen Fortschritte in Farbgebung, Proportion und Maltechnik. Das Bild erzählt die dramatische Geschichte von der heiligen Barberá die eine Zwangsheirat verweigert. Ihr Vater sperrt sie zunächst in einem Turm ein und tötet sie nach einer misslungenen Flucht.

Altarbild Santa Barbera Gonçal Peris Sarriá

Altarbild Santa Barbera  Gonçal Peris Sarriá (1443)

Das Bild ist ein Beispiel für die internationale Gothik die sich durch individuelle Gesichtszüge, detailgetreue Präsentation und expressiver Farbgebung auszeichnet. Das MNAC zeigt weitere wichtige Vertreter dieser Stilrichtung wie die Brüder Serra, Lluís Borrassà, Lluis Dalmau und Jaume Cascalls.

Der Abstieg Kataloniens – Renaissance und Barock 16. bis 18. Jahrhundert

Die goldenenen Jahre als vorherrschende Mittelmeermacht des Königreiches von Aragon, und somit der katalanischen Stadt Barcelona endeten mit einem Paukenschlag.  Ferdinand von Aragon heiratet 1469 Isabel von Kastillen. Ganz Spanien ist nun vereint und die politische Macht verlagert sich ins Zentrum. Schlimmer noch; der Mittelmeerhandel, der die katalanischen Bürger zu ihrem Reichtum verhalf, verliert nach der Entdeckung Amerikas an Bedeutung.

Anfang des 18. Jahrhunderts geriet Katalonien auch noch in die Fänge der internationalen Politik. Im Erbfolgekrieg der beiden Supermächte Habsburger Reich und Bourbonen entschieden sich die Katalanen für die Habsburger. Es war die falsche Seite. Die Bourbonen bombardierten die Stadt Barcelona bis zur Kapitulation am 11. September 1714. Dieses Datum ist heute ein Nationalfeiertag.

Das kulturelle Zentrum Spaniens entfernt sich von Barcelona. Wer nun Karriere machen will geht an den Hof nach Madrid, wie zum Beispiel einer der besten Porträtmaler aller Zeiten; Diego Velázquez aus Sevilla. Den heiligen Paulus malte er direkt in Ölfarben, ohne Vorzeichnungen, offenbar nach einem lebenden Vorbild. Der Apostel sieht nachdenklich aus dem Bild heraus, perfekt in Szene gesetzt mit dramatischen Hell-Dunkel Kontrasten. Derartig lebensechte Darstellungen hatte vor ihm nur Caravaggio geschafft.

San Pablo von Diego Velázquez, ca. 1620

San Pablo von Diego Velázquez. ca. 1620

Ein weiterer Vertreter des spanischen Barocks ist Francisco de Zurbarán. Im Zeichen der Gegenreformation forderte der Hof König Phillips des IV überzeugende Darstellungen um das Dogma der katholischen Lehre zu festigen. Das Thema unbefleckte Empfängnis (Immaculata) malte er in zahlreichen Variationen, von denen eines aus dem Jahre 1632 im MNAC zu sehen ist.

Francisco Zurbarán barcelonatipps

Immaculata von Francisco Zurbarán, 1632

Auch er war stark vom Barockmeister Caravaggio beeinflusst, verwendete jedoch eher zarte Farben und verzichtete auf überbordende Dramatik. Er konzentrierte sich auf die tiefe Religiosität, die im Blick der Immaculata zum Ausdruck kommt.

Die Renaixença Catalana – Das neue Selbstbewusstsein

Nach Jahrhunderten der Bedeutungslosigkeit brachte die Industrialisierung die Wende und Barcelona stieg zum Zentrum der Textilindustrie auf. Eine Schule für Textildesign gerierte sich zur wichtigsten Kunstakademie des Landes mit Studenten wie Pablo Picasso, Joan Miró und Marià Fortuny.

Die Stadt boomt und die Bürger zeigen vor allem mit der Architektur was man hat und was man ist. Und was man nicht ist, nämlich Spanier. Da kommt eine neue, eigenwillige Stilrichtung aus Nordeuropa gerade recht. Der Geist des Modernisme (in Deutschland Jugendstil) erfasst Barcelona. Mit seinen rundlichen, floralen, der Natur entlehnten Elementen prägt er das Stadtbild noch  heute. Häuser, Laternen, Sitzbänke Inneneinrichtung, nichts bleibt wie es ein mal war, denn die neue Bewegung versteht sich als allumfassende neue Vision. Ein Blick auf die Häuser am Passeig de Gracia macht deutlich, das hier etwas entstanden ist, was es so nirgendwo sonst auf der Welt gibt.

Das MNAC zeigt die Inneneinrichtung eines dieser Bürgerhäuser am Passeig de Gracia, gestaltet von einem der bekanntesten Möbeldesigner des Modernisme, nämlich Gaspar Homar i Mezquida. Jahrzehnte vor Bauhaus forderten die Modernisten die Zusammenführung von Kunst und Kunsthandwerk, das sich auch auf Gebrauchsgegenstände wie Möbel und sogar Türgriffe bezieht.

Inneneinrichtung der Casa Lleó Moreira

Die Pariser Boheme der Impressionisten und der Art Noveau war das Zentrum der europäischen Avantgarde. Viele Künstler pilgerten in die Kunstmetropole und kehrten voller Illusionen und Ideen nach Barcelona zurück, wie Ramon Casas und Santiago Rusiñol, die heute als die wichtigsten Vertreter der katalanischen Malerei des Modernisme gelten.

Santiago Russiñol

Links: Plein Air von Ramón Casas (1890). Rechts Puente sobre un río von Santiago Rusiñol (1884)

Casas und Rusiñol sind beide Sprösslinge der wohlhabenden katalanischen Bourgouisie und malten gefällige Motive. Der wirtschaftliche Aufschwung hatte jedoch auch seine dunkle Seite. Armut, Hunger und unsägliche Arbeitsbedingungen wurden nur von wenigen Künstlern behandelt. Eine Ausnahme bilden Picasso und Isidre Nonell. Nonell zeichnet mit düsteren, melancholischen Farben die Verlierer der Industrialisierung.

Isidro Nonell

Isidro Nonell

Die Auswahl der hier behandelten Werke ist höchst subjektiv und locker um die Epochen angeordnet und sollen Appetit auf einen Besuch wecken. Wir können Ihnen garantieren: Es lohnt sich!

Weitere Ausstellungen behandeln die Themen

  • Fotografie
  • Numismatik
  • Plakatkunst
  • Zeichnungen und Gravuren

Barcelonatipps: Wunderbarer Einblick in die Geschichte des Landes aus Sicht der Kunst. Picasso und Miró sind hier jedoch kaum vertreten. Diese haben ihre eigenen Museen.

Eintritt: 12 €  (Stand: Dez. 2017)

Chassan Jalloul

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