Las Ramblas de Barcelona – Der Tag danach

0

Es ist passiert. Was lange befürchtet und von vielen Experten sogar erwartet wurde, ist nun geschehen. Ein junger Mann rast mit 80 km pro Stunde durch eine Fussgängerzone, um eine höchstmögliche Zahl von Menschen zu töten. Wie in einem Computerspiel fährt er in Schlangenlinien durch die Ramblas de Barcelona und sucht seine Opfer im Namen einer krankhaften Auslegung seiner Religion. Terror Low Cost. Perfide, grausam, sinnlos. 13 Menschen tötet er auf der Stelle, 100 weitere verletzt er, einige davon schwer mit bleibenden Folgen. In der perversen Logik des Mörders und seiner Hintermänner ist die Rambla ein optimales Angriffsziel, denn Menschen aus vielen Nationen garantieren globale Medienwirkung.

Las Ramblas de Barcelona Blumen

Nachbarn und Touristen legen Blumen auf die Stellen, wo Menschen am Tag zuvor ermordet wurden.

Barcelona trauert und steht unter Schock. Augenzeugin Pilar X. berichtet: „Plötzlich rannten Menschen über die Strasse, viele weinten. Polizisten auf Motorrädern befahlen uns, in Geschäften oder Hotels Schutz zu suchen“. Erst später, aus den Nachrichten, erfuhr sie, dass der tödliche Lieferwagen nur wenige Meter entfernt gestoppt wurde.

Die Betroffenen erleben sofort eine beispiellose Welle der Solidarität. Barcelonier spenden so viel Blut, dass die Krankenhäuser über die sozialen Medien mitteilen müssen: Danke es reicht, wir haben jetzt mehr als genug.
An den Ausfallstrassen reichen Nachbarn den steckengebliebenen Autofahrern Wasser und Fruchtsäfte. Wegen der Grossfahndung hatten die Sicherheitskräfte zuvor die ganze Stadt abgesperrt. Viele Autofahrer mussten bis zum Morgengrauen ausharren. Selbst notorisch übelgelaunte Taxistas, die sonst fluchend und ruppig durch die Stadt hetzen, bringen verwirrte Touristen kostenfrei zu ihren Hotels.

Rambla Sicherheitskräfte

Sicherheitskräfte überall. Nach Augenzeugenberichten haben diese schnell und professionell reagiert.

Der Tag danach. Es folgen die üblichen Rituale der Aufarbeitung. König Felipe VI trifft ein, Präsident Rajoy, Kataloniens Präsident Carles Puigdemont und Bürgermeisterin Ada Colau sprechen ihre Anteilnahme aus. Teilnehmer unterbrechen die Schweigeminute mit Zurufen:  „No tinc por“. Das bedeutet auf katalanisch: „Ich habe keine Angst“. Es klingt wie eine trotzige Beschwörung, denn der Schock sitzt vielen noch in den Gliedern. Die Ramblas selbst sind belebt aber ungewöhnlich ruhig. Die lärmige Heiterkeit ist einer gedrückten Stimmung gewichen, viele Terrassenlokale sind kaum besetzt. Nur hin und wieder schimmert mediterranes Leben durch. Ein lautes Lachen, Schulterklopfen, Streit zwischen einem jungen Mann mit Rastalook und einem Polizisten. Ansonsten herrscht düstere Stille wie in einer Kathedrale, besonders an den Orten, die mit Blumen, Stofftieren und Kerzen bedeckt sind. Dort starben am Tag zuvor Menschen, am Mosaik von Miró kam der der tödliche Lieferwagen zum Stehen.

Las Ramblas Terrassenlokal

Terrassenlokal auf der Rambla. Kellner warten auf Kunden.

Die Sicherheitskräfte zeigen demonstrative Präsenz. Mannschaftswagen, Motorräder, Gruppen mit vier bis acht Polizisten sollen deutlich machen, dass die Ramblas wieder sicher sind. Einige Passanten zeigen den Polizisten Daumen hoch und lächeln ihnen zu. Nach Aussagen vieler Augenzeugen haben die Sicherheitskräfte schnell und professionell reagiert. Offensichtlich gibt es Einsatzpläne für terroristische Überfälle. Angenehmer Nebeneffekt: Die Taschendiebe bleiben heute fern.

Las Ramblas Berichterstattung

Internationale Medien informieren über die schrecklichen Details des Vortages.

Jetzt erst recht. Pilar X. und ihre Tochter am Tag danach auf den Ramblas.

Aktionskünstler laufen in Zeitlupe mit Blumen in der Hand vom Kolumbusdenkmal bis zur Plaça de Catalunya. Alle 20 bis 30 meter stehen Fernsehkameras und Reporter verbreiten die unfassbaren Details in die ganze Welt. An einigen Stellen sieht man Menschen, die sich umarmen. Sie hatten überlebt und sind gekommen weil sie zeigen wollen: Jetzt erst recht. Auch Pilar X. und ihre 10-jährige Tochter sind wieder da. Beide hatten sich am Tag zuvor stundenlang im Hotel Arc La Rambla versteckt, bis die Polizei Entwarnung gab. Sie und viele andere machen damit deutlich, dass die Mörder ihre Ziele nicht erreichen werden. Falls diese die Absicht hatten dass:

  • Die Menschen sich nicht mehr auf die Strasse wagen …. haben sie sich getäuscht
  • Die Leute Furcht zeigen  … haben sie sich getäuscht
  • Die mediterrane Ausgelassenheit der Angst weicht… haben sie sich getäuscht
  • Die Einwohner Jagd auf muslimische Nachbarn machen … haben sie sich getäuscht

Barcelona wird den Anschlag nicht vergessen aber das wird nichts an der Weltoffenheit und am mediterranen, toleranten Charakter der Stadt ändern. Die Rambla gehört nach wie vor zum emotionalen Grundinventar, das heisst, die Barcelonier lieben sie so wie sie ist. Sie gehört zur Stadt mit allem was dazu gehört. Modernistische Gebäude, überhöhte Preise, Blumenläden, lebende Statuen, weltoffenes Flair etc. …Und daran werden auch fanatische Mörder nichts ändern.

Chassan Jalloul

 

 

Share.

Comments are closed.