La Rambla Barcelona – Geliebt, Verachtet und besser als ihr Ruf

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Die Fussgängerampel springt auf grün, Hunderte von Menschen schieben sich in beide Richtungen über die Carrer de Pelai. Nach einigen Slaloms und Remplern ist es geschafft, der Besucher betritt Las Ramblas und somit einen der bekanntesten Boulevards Europas. Er ist 1,3 km lang und besteht aus fünf Teilstrecken, daher auch der Plural „Las Ramblas“. Wer sucht, der findet sie, die unangenehmen Nebeneffekte des Tourismus. Überhöhte Preise, mürrische Kellner, aufdringliche Strassenverkäufer… etc. alles schon oft gehört, und viel beklagt, vor allem von Einheimischen. Dennoch: Las Ramblas gehören zur Stadtfamilie wie die liebe Tante, von der man zwar einiges munkelt, auf deren Besuch man sich aber freut. Sie ist ein wahrhaftiges Thermometer der Stadt. Bunt, laut, kreativ, weltoffen und mit viel katalanischer Geschichte und Geschichten.

Barcelonas Flaniermeile ist keine sterile Promenade, gebaut für Macht und Glorie eines Königs oder Grafen, sondern ein Geschenk der Natur. Ursprünglich handelte es sich um ein trockenes Flussbett, das sich im Frühling nach der Schneeschmelze in den Bergen zu einem reissenden, fast schnurgeraden Fluss Richtung Meer verwandelte. Im fünfzehnten Jahrhundert wurde der Fluss umgeleitet, die Freifläche blieb jedoch bestehen, was die Einwohner des anliegenden gotischen Viertels und Raval nur zu gerne nutzten, um für einige Spaziergänge aus den engen, übelriechenden Gassen des Mittelalters zu entfliehen.

Die Bezeichnung Rambla geht nach Forschungen des Linguisten Joan Coromines auf das arabische Wort Raml zurück, was so viel wie Sand bedeutet. Englischsprachige Touristen ziehen auch Parallelen zum englischen Wort „to ramble“, was flanieren oder spazieren bedeutet. Hier ist jedoch keine Verbindung nachweisbar. Im sechzehnten Jahrhundert liessen sich an den Uferseiten einige Klöster nieder, unter anderem der Kapuziner an die heute noch der Name eines Teilstücks, nämlich die Rambla de los Capuchinos, erinnert.

Ein missratener Stierkampf ändert die Geschichte der Ramblas

Barcelona 1835

Ausschreitungen in Barcelona 1835

Gespannte Ruhe drückt auf die Stadt an jenem heissen Julitag im Jahre 1835. Seit zwei Jahren tobt ein Bürgerkrieg auf der iberischen Halbinsel. Konservativ klerikale Kräfte, die sogenannten Carlisten, kämpfen gegen Liberale, die für eine konstitutionelle Monarchie eintreten. Besonders verhasst sind die Mönche der Stadt, die als Parteigänger der Absolutisten gelten. Gerüchte von fürchterlichen Zusammenstössen in anderen Landesteilen schwirren durch die Stadt; die Menschen spüren: Bald passiert etwas. Es braucht nur einen Anlass

Dieser geschieht im Stadteil Barceloneta während der traditionellen Stierhatz am 25. Juli. Die jungen Männer reizen die Stiere, um sie durch die Gassen zu treiben, wie heute noch in Pamplona. Doch dieses Jahr wollen sie nicht. Die Stiere trotten gelangweilt voran, glotzen unschlüssig herum und lassen sich nicht provozieren. Die Männer geraten in Rage und töten die Stiere auf der Stelle. Im Geschrei sind zunehmend Hassparolen gegen die privilegierten Kleriker zu hören. Aufpeitscher nutzen die Gunst der Stunde und führen die Menge zu den Klöstern der Ramblas. Rasend vor Wut jagen die Männer nun die fliehenden Mönche und metzeln jeden nieder, der es nicht zu einer der nahegelegenen Kasernen schafft. Bis spät in die Nacht dauert das Morden und Zerstören. Tatenlos sehen die Stadtmilizen zu wie der Nachthimmel flackert und fünf Klöster bis auf die Grundmauern niederbrennen.

Schlagartig entstehen somit neue Freiflächen in bester Citylage und verdächtig rasch enteignen die Stadtoberen die kirchlichen Güter. Die liberale Bourgousie hat nun freie Hand und gestaltet das Zentrum ganz nach ihrem Geschmack mit Plätzen, Gebäuden, Parks so wie wir sie heute besichtigen können. Das weltbekannte Liceu steht auf den Grundmauern des Klosters des Trinitarier Ordens. Ein Augustiner Kloster weicht dem Boqueria – Markt und die Plaza Reial war bis zu diesem Zeitpunkt die Adresse eines Kapuzinerordens. Barcelona verfügt nun über einen Boulevard mit repräsentativen Bauten und Plätzen zwischen zwei mittelalterlichen Stadteilen

Video – Die Ramblas in Barcelona

Die Deutsche Welle begleitet Juan Bayen (Juanito), bei einem Spaziergang durch die Ramblas. Wir berichteten bereits über Juanito und seine Pinotxo bar im Artikel über den  Boqueria Markt>>.

Video: Deutsche Welle

Rambla de Canaletas – ein Brunnen macht Weltkarriere

Brunnen Canaletas Ramblas Barcelona

Barca hat wieder mal gewonnen (Foto: Jordi Boixareu www.jobopa.com)

„Wir sehen uns am Canaletes“ rufen sich die Fans des FC Barcelona vor einem wichtigen Spiel zu, und  machen sich Mut. Der Treffpunkt ist die Fuente de Canaletes, ein Brunnen, gebaut im Jahre 1892 und geformt wie ein Pokal mit vier Wasserhähnen. Einer Legende nach kehrt jeder nach Barcelona zurück, der ein mal davon trinkt. Nach einem Sieg des Clubs, vor allem nach einem „Clasico“ gegen Erzgegner Real Madrid, geht an diesem Treffpunkt die Feier richtig los. Singende Fans füllen das nördliche Teilstück der Ramblas, schwingen Fahnen und Schals und selbstverständlich fährt der Barca Bus nach einem der vielen Pokalgewinne mit der siegreichen Mannschaft hier vorbei.

Die Tradition geht auf die 30-er Jahre zurück, denn gleich neben dem Brunnen befand sich die Redaktion der Sportzeitung Marca. Die Fans warteten gebannt, auf die Spielergebnisse, die auf einer Kreidetafel niedergeschrieben wurden und fielen sich in die Arme, wenn Barca den Sieg davontrug. Die Tradition hält sich bis zum heutigen digitalen Zeitalter und wenn es gut läuft, sehen hunderte Millionen Fussballfans, gleich nach der Übertragung eines erfolgreichen Spiels den Brunnen von Canaletas in Kneipen und Wohnzimmern.

Ramblatipps
Täglich laufen ca 200 000 Besucher über die Ramblas, meistens Touristen. Insofern ist dieser Boulevard ein attraktives Ziel für angereiste Profitaschendiebe.

  • Geldbörse nie in der Gesässtasche
  • Nur so viel Geld mitnehmen wie man wirklich benötigt.
  • Münzen und kleine Scheine zum Bezahlen am besten in der Hosentasche, um die Brieftasche nicht herausnehmen zu müssen
  • Wertgegenstände und Geldbörse nie in Rucksäcken, sondern am besten in Kleidungsinnentaschen – Kamaras festhalten, auch wenn sie am Band am Hals hängen
  • Vorsicht vor „Blumenfrauen“. Bei Bezahlung erscheint plötzlich die  „Kollegin“ und entwendet die Brieftasche.
  • Falls doch etwas passiert: Touristenpolizei Rambla 43, Tel: +34 932 902 845

Rambla de los Estudios – George Orwell schiesst scharf

Spanischer Bürgerkrieg Mai 1937. Barcelona ist in Einflussbereiche verschiedener Milizen geteilt. Moskautreue Kommunisten, Trotzkisten, Anarchisten, Guardia Civil. Anarchist George Orwell befindet sich im Obergeschoss des Poliorama Theaters, Rambla No 115 und zielt auf die Strasse. Auf der anderen Strassenseite im Café Moka, Rambla 126 haben sich Milizen der Guardia Civil verschanzt. Wie Orwell in seinen Erinnerungen „Mein Katalonien“ schreibt, hatten beide Parteien zuvor einen Waffenstillstand vereinbart. Dennoch fallen plötzlich Schüsse. Orwell ruft hinab:

Hallo, was soll das. Schiesst nicht auf uns
Was?
Ihr sollt nicht schiessen, sonst müssen wir zurückschiessen.
Nein nein, wir schiessen nicht auf euch. Da unten ist einer, der uns angegriffen hat. Auf euch schiessen wir nicht. Wir sind auch nur Arbeiter wie ihr.
Er hebt die Faust zum antifaschistischen Gruss.
Ach so. Habt Ihr noch Bier übrig?
Nein. Nichts mehr da.*

Der Ort dieser skurrilen Szene ist noch zu besichtigen. Das Café Moka ist in einer hochgestylten Version noch in Betrieb, und das Poliorama Theater gehört zu den wichtigsten Theatern des Landes.

Der Name „Rambla de Estudis“ ist ebenfalls nur noch ein Wink der Geschichte und deutet auf eine Universität aus dem sechzehnten Jahrhundert hin. Nach dem unglücklichen Ausgang der Erbfolgekriege im Jahre 1714 hatten die siegreichen Bourbonen unter Felip V das Gebäude in eine Kaserne umgewandelt. Im Jahre 1843 wurde das Gebäude abgerissen.

Am unteren Ende des Abschnitts steht die barocke Jesuitenkirche La Esglesia de Betlém. Nach der Vertreibung der Jesuiten aus Spanien im Jahre 1767 übernahm sie einige Jahre später die Diözese de Betlém. Sie galt bis zur teilweisen Zerstörung im Jahre 1936 während des Bürgerkrieges als einer der schönsten Kirchen der Stadt.

Man hört oft noch die Bezeichnung „Rambla dels ocells“, das bedeutet Rambla der Vögel. Bis zum Jahre 2010 gab es auf diesem Teilstück viele Verkaufsstände mit Singvögeln. Aufgrund von geänderten Tierschutzbestimmungen erteilen die Behörden nun keine Genehmigungen mehr.

Rambla de San José – Rambla der Blumen

Wer im neunzehnten Jahrhundert Blumen kaufen wollte, musste hier her kommen, da es sonst in der ganzen Stadt keine weiteren Läden mehr gab. Die farbenprächtigen Blumenstände sind heute noch da, heute jedoch in direkter Nachbarschaft mit vielen Kioske mit Souvenirkrimskrams.  Auf der rechten Seite, in Meeresrichtung befindet sich der Boqueriamarkt, über den wir bereits an anderer Stelle berichtet haben.

In Hausnummer 83 befindet sich ein weiterer Barcelonamythos, nämlich die Pasteleria Escribà. Die Konditorei wurde 1906 in der Gran Via gegründet und wird nun von der dritten Generation geleitet. Seit 1986 befindet sich eine Zweigstelle der Konditerei im modernistischen Haus Figueras, das im Jahre 1902 gebaut wurde. Der Inhaber der Konditorei Christian Escribà gehört zur Haute Couture der kreativen Konditoren und wird in einem Atemzug mit Ferran Adríá genannt.

Rambla de los Capuchinos, wo abstrakte Kunst mit Füssen getreten wird.

In einer Zeit, in der der Tourismus zunehmend kritisch gesehen wird, kommt ein ausdrücklicher Gruss an die Bescucher der Stadt, von einem der grössten Künstler der Welt, gerade recht. Joan Miró, Schüler von Picasso und herausragender Vertreter der klassischen Moderne, hat von der Stadt Barcelona den Auftrag erhalten, die Aussenwand des Flughafens zur Begrüssung der Besucher zu gestalten.  MIrò lässt sich nicht lange bitten und schuf 1976 ausserdem noch ein Mosaik mitten auf der Rambla, wenige Meter von seinem Geburtsort entfernt.

Das Mosaic del Pla de l’Os wird tagtäglich unbeachtet von tausenden Menschen betreten. Miró hat das ausdrücklich so gewollt, und hat sogar Schutzvorrichtungen, wie Glassböden oder ähnliches abgelehnt. Der Kreis bedeutet die Grundform des Kosmos mit den Farben gelb, blau und rot und beinhaltet die vier Himmelsrichtungen.

Pla de l' Os von Joan Mirò. Ramblas in Barcelona

Pla de l‘ Os von Joan Mirò. Ramblas in Barcelona

Highlight der Rambla de Capuchinos ist das 1847 erbaute Liceo, das zu den berühmtesten Opernhäusern der Welt gehört. Nach einem Brand im Jahre 1994 wurde komplett renoviert und verfügt über 2200 Plätze auf 6 Ebenen. Das Liceu bietet Führungen ausserhalb der Probezeiten an.

Gegenüber dem Liceu befindet sich ein weiterer Barcelonamythos, nämlich das Café de l’Opera. 1929 erbaut, war dieses Café ein obligatorischer Anlaufpunkt für die Upper Class der 30 Jahre. Die Eigentümer waren weitsichtig genug, die Dekoration so zu belassen. Kellner mit Fliege, und schwarzen Westen, gewaltige Wandspiegel, hohe Decken, … mit etwas Vorstellungskraft denkt man sich die Touristen weg und taucht ein in die Belle Epoque Barcelonas.

Rambla de Santa Mónica – Kunst und lebende Denkmäler

Lebende Statue auf der Rambla Santa Mónica

Lebende Statue auf der Rambla Santa Mónica

Das Kolumbusdenkmal in Sichweite trifft man hier die lebenden Statuen, die sich nach Abgabe einer Münze in Bewegung setzen. Die Tätigkeit ist streng geregelt und es werden nur 15 Genehmigungen nach einem strengen Auswahlverfahren erteilt. Bitte beachten: Die Darsteller haben es nicht gerne, wenn Fotos ohne Entgelt gemacht werden. Auf diesem Teilstück findet man auch viele Porträtmaler.

Bis noch vor wenigen Jahren, gehörte diese Zone noch zum Rotlichtviertel, vergleichbar mit der Reeperbahn in Hamburg. Inzwischen gibt es zumindest tagsüber keine Prostitution mehr, aber den den Behörden ist es nicht gelungen das Gewerbe von der Rambla zu verdrängen. Immerhin hat die Prostitution in dieser Gegend eine lange Tradition. Ältere Bewohner berichten zum Teil mit Schaudern, andere mit Nostalgie von den wilden Zeiten der 60-er und siebziger Jahre, vor allem wenn die sechste Flotte der US-Armee am Hafen anlegte und viele Kunden verschaffte. Spuren des Gewerbes sind noch sichtbar. Es gibt noch Hauseingänge bei denen das lange Stehen mit hochen Hacken veritable Löcher im Marmor hinterlassen hat.

Sehenswert sind hier vor allem das Wachsfigurenmuseum (Museo de Cera) auf der linken Seite und natürlich zum Abschluss das Kolumbusdenkmal aus dem Jahre 1888.

Rambla del Mar – Hinaus auf das Meer

Man lässt das Kolumbusdenkmal, das Ufer und eigentlich die ganze Stadt hinter sich und betritt eine wellenförmige (welche Form auch sonst) Fussgängerbrücke über dem Meer. Zuweilen ist die Brücke für einige Minuten gesperrt. Dann dreht sich ein Teilstück der Brücke um Booten die Ausfahrt oder Einlass zum Jachthafen zu gewähren.

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Mit diesem hölzernen Teilstück auf dem Mittelmer nimmt ein ereignisreicher Spaziergang sein spektakuläres Ende. Ein Boulevard mit prallem Leben, zwischen zwei historischen und berüchtigten Stadteilen, nämlich dem  Barrio Gotico und Raval. Es gäbe noch viel zu erzählen, beispielsweise von öffentlichen Hinrichtungen, von blutigen Demonstrationen nach Francos Tod etc, aber das würde hier zu weit führen. Die Ramblas sind zwar nicht repräsentativ für Barcelona, aber Barcelona ohne Ramblas ist nicht denkbar. Wer hier nicht war, hat Barcelona nicht erlebt.

*Gekürzte Übersetzung aus der katalanischen Ausgabe „Homenatge a Catalunya“

Chassan Jalloul

 

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